„Wenn der Wind der Veränderung weht,
bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.“
In Zeiten des (Klima)Wandels setzen wir auf erneuerbare Energie.
In unserem Modell nützen wir die Windkraft (= Lerneifer und Wissensdrang der Lernenden), um die Arbeit der Mühle (= Aufbau einen Wissensnetzwerkes mit intelligentem Wissens- und Kompetenzerwerb) voranzutreiben.
Dies bedeutet auch zu akzeptieren, dass nicht jede Windmühle zu jedem Zeitpunkt mit der gleichen Intensität arbeitet.
Wir sehen unsere Aufgabe als Pädgog:innen darin, die Windbedingungen (= Lernsetting) mit Hilfe personalisierter Lernwege für unsere Windmühlen/Lernenden so zu gestalten und laufend zu adaptieren, um die Voraussetzungen für einen optimierten Lernprozess des Wissens- und Kompetenzerwerbs zu schaffen.
Ziel eines praxisrelevanten Unterrichtsmodells muss es sein,
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einen Unterricht anbieten zu können, der die Lernenden weder unter- noch überfordert
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eine begabungsfördernde Lernumgebung zu schaffen, um sowohl Kinder mit hohem als auch niedrigem Leistungspotential ihrem aktuellen Leistungsstand entsprechend zu fordern und fördern
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dem Anspruch der Begabungsförderung als Breitenförderung auch im Kontext von Heterogenität und Inklusion gerecht zu werden
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die Lernenden als Persönlichkeiten wahrzunehmen, ihnen im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten Wege zur Entwicklung ihrer Person aufzuzeigen und sie bei der Verfolgung ihrer Ziele zu unterstützen und zu begleiten
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ein Unterrichtsmodell darzustellen, das organisatorisch gut bewältigbar ist, um die Lehrergesundheit und damit auch die Freude und Leistungsbereitschaft der Lehrenden langfristig zu erhalten
Wir glauben, mit dem Modell des Lernnetzwerks Wiener Neustadt ein Konzept gefunden zu haben, das den genannten Ansprüchen gerecht werden kann.
Das Modell besteht im Wesentlichen aus sechs Komponenten:
1) Churer Modell
Das Schulzimmer wird zur Lernlandschaft mit unterschiedlichen Arbeitsplätzen. Der Kreis spielt eine zentrale Rolle. Die Schülerinnen und Schüler können den Arbeitsplatz selbst wählen. Der Raum wirkt als zusätzlicher Pädagoge.
Im Input werden Lernaufgaben vorgestellt. Der Input wird kurzgehalten, um Lernzeit für die Schülerinnen und Schüler und Zeit für die Lernbegleitung und -beratung zu gewinnen. Die Lernaufgaben schließen direkt an den Input an. Für Schüler:innen wird mindestens ein Lernangebot mit erweiterten Anforderungen bereitgestellt. Es werden weiters Lernangebote angeboten, bei dem schwächere Schülerinnen und Schüler das nötige Vorwissen aktualisieren können. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, das Lernangebot, den Arbeitsplatz und den/die Lernpartner zu wählen. Ziel ist es, ein gutes Setting zu finden, bei dem gut gelernt werden kann. Die Lehrperson beobachtet und unterstützt die Schülerinnen und Schüler in diesem Prozess. Die Lehrperson kann diesen Prozess aber auch bewusst steuern, wenn dies nötig ist.
2) Konzept des personalisierten, selbstregulierten Lernens
Beim selbstregulierten Lernen handelt es sich um eine aktive, von den Lernenden selbstständig durchgeführte Tätigkeit. Im Mittelpunkt steht dabei die Aufnahme von neuem Wissen und das Reflektieren darüber, um in weiterer Folge zum Können und schließlich zum Handeln zu gelangen. Die Schüler:innen knüpfen dabei ganz individuell an bereits vorhandenem Vorwissen an, um daran eigenständig neues Wissen und Können aufzubauen. Die Lernenden machen sich ihre Ziele bewusst und kontrollieren ihre Fortschritte während des gesamten Lernprozesses mit Unterstützung der Lehrpersonen, die die Rolle eines individuellen Lerncoaches einnehmen.
3) Vermittlung von intelligentem, vernetztem Wissen
Es werden fächerübergreifend Themen gewählt, die Anknüpfungspunkte für Lernfächer bieten. Bei der Auswahl der Themen wird darauf geachtet, dass der Erwerb intelligenten Wissens (W. Stern), also die Übertragbarkeit erworbener Lösungsstrategien und formaler Kompetenzen auf neue Inhalte, möglich ist. Alle Lernenden arbeiten am gleichen Thema, aber auf unterschiedlichen Niveaus.
Durch die Arbeit an und mit Lernnetzen ist viel Zeit und Raum für Vermittlung und Training von Sachkompetenz (Lern-, Denk- und Präsentationsmethoden,...) sowie Selbst- und Sozialkompetenz. Der Unterricht geht vom Kind aus, also vom einzig relevanten Ausgangspunkt jedes Unterrichts- dem Individuum. Das gemeinsame Thema bietet einen gemeinsamen „Aufhänger“ und Ausgangspunkt für Arbeiten an gemeinsamen Vorhaben. Jedes Kind geht von seinem individuellen Lern- und Wissensstand aus und lernt am Thema dazu. Die Schüler:innen lernen aus Neugier und Interesse selbstbestimmt, konzentriert und ausdauernd. Nicht selten vertiefen sie sich so sehr in IHR Thema, dass sie in einen selbstvergessenen „FLOW- Zustand“ geraten.
4) Einbeziehung digitaler Medien
Im Bereich der digitalen Medien wird übergeordnet der Einsatz einer digitalen Pinnwand (padlet) eingesetzt. Dies bietet eine Vielzahl an bereichernden Aspekten für das eigenverantwortliche Lernen sowie das fächerübergreifende Arbeiten. Dabei ist eine Vielzahl an digitalen Tools einsetzbar (Flipped Classroom, LearningApps, Quizlet, Kahoot, Kindersuchmaschinen,...)
Mit bee-bots werden grundlegende Kenntnisse im Bereich des Programmierens vermittelt.
5) Pilotprojekt „Jedes Kind stärken“
Dieses hat zum Ziel, die psychosoziale Gesundheit zu stärken; und zwar sowohl die der Lehrenden als auch die der Lernenden.
Damit entspricht der Unterricht den Anforderungen des neuen Lehrplans, wonach dem Aufbau personaler und sozialer Kompetenzen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Bei der Entrepreneurship Education, die eines der übergreifenden Themen des neuen Lehrplans darstellt, sollen die Schüler:innen lernen neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen, sich und anderen Mut zu machen und sich (mit den Ideen) für andere einzusetzen. Dadurch werden Schlüsselqualifikationen für lebenslanges Lernen erlangt.
Im Mittelpunkt steht das Programm „Jedes Kind stärken“, das vom Verein IFTE (Verein für Teaching Entrepreneurship) entwickelt wurde. Das Projekt wird von einem Forscherteam der Universität Graz evaluiert.
Die Basis-Komponente des Programms stellt das PERMAteach-Programm dar, das auf folgenden 5 Säulen basiert:
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Positive Emotions (positive Emotionen vermehren und nutzen)
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Engagement (im Flow sein, eigene Stärken erkennen und leben)
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Relationships (positive Beziehungen pflegen und erfahren)
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Meaning (Sinn, auch im Alltag, transparent machen und leben)
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Accomplishment (Erfolge ermöglichen und sichtbar machen)
6) Begabungs- und Begabtenförderung
Unser ganzheitliches Unterrichtskonzept ist auf Kinder mit unterschiedlichem Leistungsvermögen und verschiedensten Begabungen ausgerichtet. Wir begleiten die Kinder auf der Grundlage von universal ethisch-moralischen Werten, mit innovativen Methoden, der Balance zwischen Freiheit und Disziplin, zwischen Fördern und Fordern. Kinder, die sich wohl und geborgen fühlen und ihre Talente und Fähigkeiten entfalten dürfen, entwickeln Lernbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Wir legen großen Wert auf die Vermittlung der 21st-century-skills (Kollaboration, Kommunikation, Kreativität und Kritisches Denken) als Grundlage für ein wirkliches „Lernen fürs Leben“.
Das übergeordnete Prinzip unseres auf Inklusion ausgerichteten Konzepts stellt die Begabungsförderung dar, die auch die Begabtenförderung inkludiert. Sie zielt auf die Unterstützung, Förderung und Begleitung aller Schüler/innen bei der ganzheitlichen Entwicklung ihrer Person und ihrer Leistungspotenziale ab. Im Sinne der Chancengerechtigkeit hat die Schule die grundsätzliche Aufgabe, alle Lernenden in ihrer Potenzialentwicklung zu unterstützen.